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Baiersbronn Das kalte Herz

Märchen von Wilhelm Hauff

"Schatzhauser im grünen Tannenwald, bist schon viel hundert Jahre alt, Dein ist all Land, wo Tannen stehen, läßt Dich nur Sonntagskindern sehen." Mit diesem Spruch lockte der Kohlenmunkpeter in Wilhelm Hauffs berühmten Märchen "Das kalte Herz" im tiefen Wald das Glasmännlein herbei, um endlich vom ärmlichen Köhlerdasein zu Wohlstand und Ruhm zu gelangen. Viel' hundert Jahre alt ist auch das ehemalige Gasthaus "Sonne" in Schwarzenberg. Mit großer Sicherheit entstand in diesem Ort die Urfassung des Märchens von Wilhelm Hauff.

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Immer wieder taucht das Gasthaus Sonne im "Kalten Herz" auf. Dort spielt der Kohlenmunkpeter mit dem dicken Ezechiel, dort tanzt er mit den hübschesten Mädchen. Das Gasthaus Sonne spielt im Märchen immer wieder eine Schlüsselrolle für das Schicksal des Köhlerjungen Peter Munk, der sich vom Holländermichel ein Herz aus Stein einsetzen läßt, bis er bemerkt, daß Reichtum allein nicht glücklich macht. Das ehemalige Gasthaus Sonne in Schwarzenberg hat eine bewegte Geschichte. Ein Stein am Haus trägt die Jahreszahl 1594. Schon vor dem 30-jährigen Krieg war das Haus eine Gastwirtschaft, wie aus den historischen Unterlagen hervorgeht. Reiche Waldbauern waren die Besitzer. Heute ist die Bausubstanz sehr schlecht und für das alte Haus, das am Schwarzenberger Dorfplatz steht, liegt der Gemeinde Baiersbronn ein Abbruchantrag vor. Der heutige Besitzer will das alte Gemäuer abreißen und ein neues Haus bauen.

Siegfried Finkbeiner, ein leidenschaftlicher Heimatforscher in Schwarzenberg, hat viele alte Bücher gewälzt und erhielt so ein transparentes Bild der Besitzer des Hauses und der Geschiche. Verschiedene badische Wappen am Haus deuten darauf hin, dass der erste Besitzer wesentliche Beziehungen zum badischen Herrscherhaus hatte. Eventuell konnte es sich um den Vertreter der Murgschifferschaft oder der Grafen von Eberstein im Bereich des Klosters Reichenbach gehandelt haben. Später war das Haus im Besitz des Waldknechts der auch als Stabhalter bezeichnet wurde. Der Gasthof wurde vermutlich bis kurz nach 1840 betrieben.

Das große, hohe Hauptteil des Hauses ist noch zu erkennen. Die Besitzer des Gasthauses waren Waldknechte (vergleichbar mit Förstern), Schultheißen oder reiche Lehensbauern. Interessant wird die Besitzerfolge, als Philipp Andreas Klumpp, Schultheiß, Wirt und Metzger (geboren 1697) den Gasthof übernahm. Er war Mitbegründer und Hauptinitiator der "Calwer Holländer Holzcompagnie". Die Tochter zählt zu den Vorfahren der Familie Rommel, wie es aus den Sippenbüchern des Klosters Reichenbach hervorgeht. Der nächste Besitzer Johann Georg Klumpp, "Waldknecht und Wirt", war der Sohn von Philipp Andreas Klumpp, und wurde auch der "100000 Gulden Klumpp" oder "der reiche Jerg von Schwarzenberg" genannt. Um 1800 war er vermutlich der wohlhabenste Bürger im gesamten Klosteramt Reichenbach. Seine Tochter Carolina-Friederika heiratete den Schwarzenberger Pfarrer Hauff, einen entfernten Verwandten des Dichters Wilhelm Hauff. So kam Wilhelm Hauff vermutlich in das Gasthaus Sonne, erlebte dort, wie die Gäste ein- und ausgingen, hörte ihren Geschichten zu, die sie am Stammtisch erzählten und fand wohl auch Figuren, die er in seinem Märchen "Das kalte Herz" später verwendete. Der reiche Johann Georg Klumpp war so wohlhabend, dass er damals um 1800 dem Kloster 2000 Gulden geliehen hat, was etwa einer Millionen Euro entsprechen würde. Die Haupteinnahmen kamen aus dem Holzhandel, den Klumpp damals im großen Stil betrieb. In Hauffs Märchen ist oft die Rede von den unermeßlich reichen Holzhändlern, die im Gasthaus das Geld locker sitzen hatten. Dies sind viele Indizien, dass Hauff oft in Schwarzenberg auch bei Familienfeiern im Gasthaus Sonne zugegen war. Nach 1896 verkaufte Gottlieb Klumpp die Sonne an Michael Finkbeiner, den Großvater des heutigen Besitzers.

Im Laufe der Zeit hat die Bausubstanz es alten Gemäuers sehr gelitten. Die riesigen Räume im Innern des Hauses konnten kaum umgebaut werden, das Haus war vermutlich schwer als Wohnhaus zu nutzen. Jahrelang stand es leer und man sagte sogar, Geister wohnten in dem Gemäuer. Doch noch heute erkennt man die typischen Kasettendecken in manchen Zimmern und an den Vertäfelungen, den Stil des alten Wirtshauses. Das alte Gasthaus soll einem neuen Haus weichen. Heimatforscher Siegried Finkbeiner sieht kaum eine Chance, das Gebäude ganz zu erhalten. Er wünscht sich aber, dass wenigstens verschiedene Relikte aus alten Zeiten ausgebaut und erhalten werden können. Auch das Landesdenkmalamt und die Gemeinde Baiersbronn halten das Gebäude für geschichtlich wertvoll, wissen aber nicht, wer die kostspielige Komplettrenovierung bezahlen könnte.

"Das kalte Herz" Spiegelbild der unruhigen Flößerzeiten

Wilhelm Hauff, der schwäbische Märchendichter, beschreibt im Märchen "Das kalte Herz" recht anschaulich, welchen Eindruck die Flößer bei der alteingesessenen Bevölkerung des Murgtals hinterließen. Der arme Köhlerbursche Peter Munk berichtet: "Auch die Flößer waren ein Gegenstand seines Neides. Wenn diese Waldriesen herüberkamen, mit stattlichen Kleidern, und an Knöpfen, Schnallen und Ketten einen halben Zentner Silber auf dem Leib trugen, wenn sie mit ausgespreizten Beinen und vornehmen Gesichtern dem Tanz zuschauten, holländisch fluchten und wie die vornehmsten Mynheers aus ellenlangen kölnischen Pfeifen rauchten, da stellte er sich als das vollendetste Bild eines glücklichen Menschen solch einen Flößer vor-¦ Diese Menschen sind an ein rauhes, wanderndes Leben gewöhnt. Ihre Freude ist, auf ihrem Holz die Ströme hinabzufahren, ihr Leid am Ufer wieder heraufzuwandeln. Darum ist auch ihr Prachtanzug so verschieden von dem der Glasmänner. Sie tragen Wämser von dunkler Leinwand, einen handbreiten grünen Hosenträger über die breite Brust, Beinkleider von schwarzem Leder, aus deren Tasche ein Zollstab von Messing wie ein Ehrenzeichen hervorschaut; ihr Stolz und ihre Freude aber sind ihre Stiefel, die größten wahrscheinlich, welche auf irgendeinem Teil der Erde Mode sind; denn sie können zwei Spannen weit über das Knie hinaufgezogen werden, und die Flößer können damit in drei Schuh tiefem Wasser umherwandeln, ohne sich die Füße naßzumachen."

Man kann sich vorstellen, mit welchem Argwohn die Schwarzenberger Lehensbauern die "Reig'schmekkte", wie die zugereisten Taglöhner genannt wurden, beobachteten. Dazu kam, dass sich unter diesen Taglöhnern viele rauhe Gesellen und Abenteurer befanden, ein bunt zusammengewürfeltes Volk. Im Märchen "Das kalte Herz" verkörpert der "Holländer Michel" dieses unruhige Volk, das bedingt durch den Holland-Holzhandel, so pötzlich in das bisher ruhige Murgtal eingebrochen war. Wilhelm Hauff läßt einen alt eingesessenen Holzfäller erzählen:

"Vom Holländer-Michel will ich euch aber erzählen, was ich weiß und wie die Sage von ihm geht. Vor etwa hundert Jahren, so erzählte es wenigstens mein Ehni, war weit und breit kein ehrlicheres Volk auf Erden als die Schwarzwälder. Jetzt, seit so viel Geld im Land ist, sind die Menschen unredlich und schlecht. Die jungen Burschen tanzen und johlen am Sonntag und fluchen daß es ein Schrecken ist: damals war es aber anders, und wenn er jetzt zum Fenster dort reinschaute, sag' ich's und hab' es oft gesagt, der Holländer-Michel ist schuld an all diese Verderbnis."

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