Alpirsbach Geschichte
Das obere Kinzigtal tritt erst sehr spät, nämlich mit der Gründung der Benediktinerabtei Alpirsbach in das helle Licht der Geschichte, denn bis zur ersten nachchristlichen Jahrtausendwende blieb das eigentliche Schwarzwaldmassiv eine gewaltige Siedlungsbarriere.
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Der wichtige Anteil der kluniazensischen Reformklöster Hirsau, St. Blasien, St. Georgen und Alpirsbach an der Siedlungs- und Rodungstätigkeit ist seit langem bekannt, auch wenn diese zunächst nur die Waldperipherie umfaßten.
Erst im 13. Jahrhundert, in der späten Stauferzeit, ist es dann gelungen, auch den Hochschwarzwald zu besiedeln. Einem Zufallsfund verdanken wir einen Hinweis darauf, daß es nicht die Römer gewesen sind, die als erste das unbesiedelte Waldland unserer engeren Heimat betreten haben.
Bei Baggerarbeiten im Kinzigbett im Stadtteil Rötenbach kam im Herbst 1955 ein tadellos erhaltenes Steinbeil aus der Jungsteinzeit zu Tage.
Es gibt Städte, die ihren Ursprung dem Willen eines Landesherrn verdanken, andere sind an Fernstraßen gelegen, aus Handelsniederlassungen entstanden oder gehen auf militärisch-strategische Erwägungen zurück. Einige Städte aber verdanken ihre Entstehung einer Klostergründung, wie etwa St. Gallen und Fulda, aber auch das 1869 zur Stadt erhobene Alpirsbach.
Dieser Ursprung ist noch durchaus lebendig und wird sichtbar an dem herrlichen romanischen Alpirsbacher Münster mit den anschließenden Klostergebäuden, die nicht nur für die Stadt ein geistig-geistlicher Mittelpunkt sind, sondern darüber hinaus eine starke Anziehungskraft erweisen, denken wir an die „Kirchliche Arbeit von Alpirsbach„ und die sommerlichen Kreuzgangkonzerte. Am 16. Januar 1095 weihte Bischof Gebhard III. von Konstanz aus dem Geschlecht der Herzöge von Zähringen und vor seiner Erhebung zur bischöflichen Würde Mönch von Hirsau, im Tal der Kinzig für eine kleine Gründungskolonie ein Oratorium.
Das ist der urkundlich feststehende Anfang des Benediktinerklosters Alpirsbach. Aber einem solchen Festakt gehen eine ganze Reihe von Bemühungen voraus. Es war ja damals vor 900 Jahren nicht viel anders als heute. Vor allem müssen zwei Voraussetzungen zusammenkommen, damit eine Klostergründung gelingt. Einmal bedarf es einer opferwilligen Stifterpersönlichkeit oder Stiftergruppe, die bereit ist, die materielle Grundlage für die Neuansiedlung einer klösterlichen Familie auf sich zu nehmen und ihr in den immer schweren Anfängen zur Seite zu stehen, und zum anderen bedarf es eines Mutterklosters, das fähig ist, eine Gründungskolonie aus seiner Mitte zu entsenden.
Zur geistig lebendige, mit Nachwuchs gesegnete und von missionarischer Sendung erfüllte Klöster konnten eine solche Aufgabe übernehmen. Stifter des Klosters Alpirsbach waren drei Adelige: Ruotman von Hausen, Adalbert von Zollern und Graf Alwik von Sulz am Neckar. Das Stiftungsgut, ein ziemlich großes Waldgelände rund um ein schon bestehendes Hofgut Alpirsbach, dürfte von den drei Stiftern gemeinsam geerbt worden sein. Übrigens dürfte der Name Alpirsbach mit dem Namen Adalbert zusammenhängen. Die Gründungsnotiz enthält kein besonderes Motiv für die Stiftung, außer daß die drei Stifter von Gottesliebe entflammt auf den Rat des päpstlichen Legaten, des Bischofs Gebhard von Konstanz, ihr Werk durchführten. Im Jahr vor der Gründung 1094 herrschte in Schwaben ein großes Sterben, wohl die Pest, und im folgenden Jahr eine starke Hungersnot.
Ein Wohnturm aus der Spätromanik an der Südwestecke des Klosters, vermutlich die Wohnung der Klostervögte Wichtig war für die Gründung eines Reformklosters, daß es von allem Anfang an unter den Schutz des Papstes gestellt und damit exempt wurde. Als Gegenleistung sollte jährlich an Rom ein Goldstück gezahlt werden. Diese Aufnahme in den päpstlichen Schutz wurde vom päpstlichen Legaten für Deutschland, Bischof Gebhard III. von Konstanz verbürgt und richtete sich also nicht gegen den Diözesanbischof. Sie erhielt die Bestätigung 1101 durch ein Privileg Papst Paschalis II. In diesem wird Kuno schon als Abt genannt und damit erscheint das Kloster in seiner Struktur gesichert und gefestigt.
Nach dem Bau eines hölzernen Oratoriums und einer kleinen, 1099 geweihten Steinkirche konnte die jetzt noch bestehende monumentale Klosterkirche errichtet und vermutlich im Jahre 1128 geweiht werden. Das Gotteshaus ist eine dreischiffige, siebenjochige Säulenbasilika mit Flachdecke über dem Grundriss eines lateinischen Kreuzes ohne Krypta. Klare Maße von Quadrat und Halbkreis mit freiem Durchblick ohne Dämmerlicht bestimmen den Raum. Chor, Vierung und Arme des Querschiffes sind quadratisch, die Absiden halbrund. Die Langschiffjoche werden von Monolithsäulen mit Würfelkapitellen getragen. Ein Gotteshaus, das bis auf geringe gotische Veränderungen verschont blieb und lange Zeit als Grablege adliger Geschlechter diente. So darf Alpirsbach mit Fug und Recht als Juwel hochromanischer Baukunst gelten, das seinesgleichen sucht.
Nach dem Anschluss an die Bursfelder Reform 1482 und damit zusammenhängendem wirtschaftlichen Aufstieg konnte umfangreich gebaut werden, vor allem an den Patronskirchen und den Klausurgebäuden. Dazu gehört der in den Jahren 1483 bis 1494 geschaffene Kreuzgang, der neben der akustisch herausragenden Klosterkirche, seit 1952 zu einem begehrten Konzertplatz geworden ist.
Die eigentliche Geschichte der bürgerlichen Siedlung Alpirsbach beginnt mit der ersten Aufhebung der Benediktinerabtei 1535 kraft des landesherrlichen ius reformandi, das der im Jahr zuvor in sein Land zurückgekehrte Herzog Ulrich von Württemberg für sich in Anspruch nahm.
Am 27. Oktober 1535 besetzte der Obervogt auf dem Schwarzwald, Jos Münch von Rosenfeld, mit 120 Mann das Kloster, zwang Abt Ulrich Hamma zur Annahme eines herzoglichen Leibgedings und ließ Archivalien und Wertsachen nach Stuttgart schaffen. Als herzoglicher Rat war Abt Ulrich bis zu seinem Tod 1545 verpflichtet, die Klostereinkünfte im Namen des Herzogs zu verwalten. Die Niederlage Württembergs im Schmalkaldischen Krieg führte zu den harten Bestimmungen des „geharnischten Reichstags„ von Augsburg 1547/48, kurz Interim genannt, in dessen Gefolge Ulrich die eingezogenen Klöster wieder katholischen Prälaten einräumen mußte. Der tatkräftige ehemalige Alpirsbacher Conventual Jakob Hochrüttiner konnte im Herbst 1548 seine Wahl zum Abt durchsetzen und das Kloster wieder katholisch besetzen.
Durch die Aufhebung des Interims 1552 und den Augsburger Religionsfrieden 1555 begünstigt, konnte Herzog Christoph die zweite Kirchenreformation Württembergs beginnen, die auch für Alpirsbach die zweite Aufhebung des Klosters mit sich brachte. Die rücksichtslose Säkularisierung der kirchlichen Besitzungen, die nach 1534 dem fürstlichen Kammergut einverleibt worden waren, wiederholte sich jedoch nicht. Die 14 landständischen, d. h. im Landtag vertretenen großen Mannsklöster, darunter auch Alpirsbach, wurden zu einem besonderen Vermögensfundus zusammengeschlossen.
Diese Entwicklung war mit der Klosterordnung von 1556 eingeleitet worden und mit der Großen Kirchenordnung von 1559 zum Abschluß gekommen. Das Landstandsrecht der katholischen Prälaten wurde auch auf die evangelischen Prälaten ausgedehnt, mit denen Herzog Christoph seit 1555 die ersteren allmählich ersetzte. So mußte schließlich auch Abt Hochrüttiner 1559 auf die Abtei Alpirsbach resignieren, während der erste evangelische Abt, Balthasar Elenheinz, erst 1563 ernannt wurde.
Solange in den Räumen des Klosters die evangelische Klosterschule von 1556 – 1595 Aufnahme fand, änderte sich an der Wirtschaftsführung der Klosterverwaltung nichts. Die 14 Zöglinge der niederen Kloster- bzw. Grammatistenschule haben in den Zellen des Dorments bleibende Spuren hinterlassen: neben den Namensverewigungen sind vor allem die interessanten Fundgegenstände von Übungsheften, Spielkarten und Kleidungsstücken zu nennen. Unter dem sparsamen Herzog Friedrich 1. (1593—1608) wurde die kostspielige Alpirsbacher Klosterschule aufgehoben und mit der in Adelberg vereinigt. Die Präzeptoren der Klosterschule versahen im Nebenamt die Pfarrei Alpirsbach, bis 1561 auch die von Reinerzau, die Pfarrei Schömberg sogar bis 1573. Zur Pfarrei Alpirsbach gehörten schon immer Rötenbach, Reutin und Unterehlenbogen bis zum Buchbach.
Das Klosteramt Alpirsbach umfasste (nach dem Landbuch von 1736—1744) zwölf Gerichtsstäbe: Alpirsbach mit Rötenbach und Reichenbächle, Rötenberg mit Bach und Altenberg, Ehlenbogen mit Schömberg und den 18 Höfen Peterzell mit den 5 Höfen, Reutin, Römlinsdorf und Hönweiler, Loßburg mit Büchenberg und Ödenwald, Wittendorf mit Oberbrändi und Lombach, Oberiflingen, Dürrenmettstetten, Hopfau, Reinerzau, Betzweiler, Wittershausen mit Boll. Dazu gehörten außerdem das ehemalige Priorat Kniebis, die katholischen Pfarrdörfer Gisslingen bei Rottweil und Nordweil im Breisgau sowie einige Höfe im mittleren Kinzigtal. Schließlich besaß das Klosteramt eigene Pfleghöfe in Dornhan, Sulz, Haigerloch und Rottweil, die die Einkünfte des umfangreichen Streubesitzes verwalteten. Im ganzen Amt gab es zehn evangelische Pfarreien, nämlich Alpirsbach, Hopfau, Lombach, Oberiflingen, Peterzell, Reinerzau, Rötenberg, Schömberg, Wittendorf und Wittershausen. Die „Erneuerung„ des Alpirsbacher Lagerbuchs von 1560 zeigt, daß mit dem Übergang der Klosterherrschaft an das Herzogtum Württemberg in den Pflichten und Rechten der ehemaligen Klosteruntertanen keine Änderungen eintraten: unter dem württembergischen Hifthorn lebte es sich so schlecht und recht wie unter dem Krummstab. Der herzogliche Verwalter überwachte – wie einst der Abt – zusammen mit einem geistlichen Verwalter und einigen anderen Hilfsbeamten zusammen alle Pflichten und Rechte. Wie bisher wurden Abgaben und Dienste geleistet bis hin zu den Frondiensten und den militärischen Pflichten in der Landesauswahl. Als Vorort und Sitz des Klosteramts erhielt die kleine Siedlung Alpirsbach einen mächtigen Auftrieb. Zu den Behörden kamen die Amtsversammlung und die Zünfte, die hier regelmäßig tagten. Die Handwerker erhielten ihre Aufträge aus der ganzen Umgebung, so daß schon um 1600 alle notwendigen Gewerbe im Ort vertreten waren.
Die eigentliche Kriegsnotzeit beginnt für Alpirsbach erst 1633/34. Der Ort muß damals eine Zufluchtstätte für viele Menschen aus der Umgebung gewesen sein. Ein Bild aus den stürmischen Wochen vor der Schlacht von Nördlingen ergeben zwei Einträge im Totenbuch: Melchior Hammel, Glase
, ein jüngerer Mann aus angesehener Familie wurde „von den Villingern tartarischer Weise bei Peterzell jämmerlich erhängt„ und dort begraben. Ein 18jähriger Rötenbacher, Angehöriger der „Auswahl„, also der württembergischen Bürgermiliz wurde von den Villingern so übel verletzt, daß er daran starb. Alpirsbach war als Sitz des Klosteramts zugleich Ausbildungsstätte für die Landmiliz.
Die Stuttgarter kirchlichen Behörden wagten es und zwar auf Eingabe der Dorfvögte von Alpirsbach, Rötenbach, Reutin, Ehlenbogen, Schömberg und Reinerzau-‚ einen Vikar nach Alpirsbach zu schicken. Dieser, der 1611 geborene M. Johann Conrad Hölder, schrieb später in seine Familienbibel:,, Anno 1636 Vicarius zu Alpirsbach uff dem Schwarzwald worden. Damalen hatten die Papisten die Klöster wieder innen, dringten alle Pfarrer in selbigem Amt, wollten mit Gewalt reformieren; mußte viel von ihnen leiden, war Leibs und Lebens nie sicher, wurde von den Soldaten gesucht; verfolgt; auch in den Predigen, so auf dem Rathaus geschehen mußten, überloffen, welche mir den Tod geschworen, wann ich von dar nit weichen werde, wie sie mich dann schon einmal gegriffen, meine Bücher, Predigten und Kleider zum Finster und Laden hinausgeworfen. Gott hat aber mich allezeit wunderlich beschützt und errettet; bin doch bei diesem grausamen Dominio (Amt) 22 Wochen verblieben: sonsten war nit einiger Pfarrer im ganzen Amt.„ Die kirchliche Versorgung der evangelisch gesinnten Bevölkerung konnte bis zum Ende des großen Krieges 1648 nicht mehr gewährleistet werden. Nach der Rückgabe der Abtei an Württemberg im Westfälischen Frieden hat dann Dekan M. Johannes Cappel von Sulz am 6. Januar 1649 mit einem Eintrag die evangelische Wiederbesetzung der Pfarrei beurkundet. Die Einbußen an Menschenleben können in Alpirsbach trotz allem nicht so umfangreich gewesen sein wie in anderen Gebieten Württembergs. Das zeigt sich unter anderem daran, daß die Mehrzahl der Familiennamen aus der Zeit vor 1618 auch nach 1648 wiederkehrt. Über 350 Jahre hinweg haben sich bis heute folgende Familiennamen aus jener Zeit gehalten: Adrion, Beßler, Frick, Kilgus, Maser, Schray, Schwenk, Stählin, Trick; in Rötenbach dagegen die Armbruster, Bühler, Krötz, Rink, Ruff, Sauer, Schillinger und Schwenk. Die Jahre der Konsolidierung nach dem großen Religionskrieg
wirkten sich natürlich auch in Alpirsbach und im ganzen Klosteramt aus. Als 1655 das Mannsklösterdepositum aufgehoben und dem allgemeinen Kirchengut zugeteilt wurde, änderte sich in Abgaben und Verwaltung nichts. Daß der Ort immer größere Bedeutung bekam, zeigt nicht zuletzt die Einrichtung der Lateinschule 1671, die aber bis 1702 mit der „Teutschen Schule„ von einem Schulmeister geführt wurde. In Alpirsbach und Rötenbach haben manche Flüchtlinge und sonstige Zuwanderer nach 1648 eine neue Heimat gefunden.
Der Krieg Ludwigs XIV. gegen Holland (1672—1678) brachte nach 25 Jahren Frieden Vorboten neuen Unheils; 1675 konnten die Truppen des Sonnenkönigs vom Elsaß aus Streifzüge bis in die Gegend von Freudenstadt und Sulz unternehmen. Während des Krieges gegen die Pfalz (1688—1697) war Alpirsbach verschiedentlich militärisches Standquartier; so etwa im Winter 1696/97, als hier 1 1/2 Kompanien des Würzischen Regiments lagen. Auch der Spanische Erbfolgekrieg (1701—1714) hinterließ hier seine Spuren; Ende Oktober 1702 quartierte sich der kaiserliche General Gronsfeld mit fünf Regimentern Dragoner ein. 1704 wurden Alpirsbacher Fuhrleute mit ihren Fuhrwerken zu Frohnfuhren für den Ausbau der Landesfestung Hohentwiel abkommandiert. Im Jahr zuvor hatte man sogar die Lagerbücher und andere Dokumente des Klosteramts dorthin geflüchtet. Als 1705 versprengte Bayern und Franzosen die Gegend unsicher machten, gelang es Oberamtmann Johann Wolfgang Diez dieselben — wohl mit Hilfe der „Auswahl„ des Amtes — zu vertreiben.
Das 18. Jahrhundert brachte mit dem Beginn des Bergbaus einen ganz großen Auftrieb. Schon im 16. Jahrhundert hatte man am Goldbrunnen geschürft. Als dann gegen Ende des 17. Jahrhunderts in Wittichen auf Fürstenbergischem Gebiet der Silber- und Kobaltabbau große Erfolge zeitigte, ließ die herzogliche Regierung auf dem württembergischen Nachbargebiet entsprechende Versuchsstollen anlegen. Zuerst wurde man in Reinerzau, schließlich 1707 auch in Alpirsbach fündig. Mit dem aufblühenden Bergbau verbesserte sich auch die sonstige wirtschaftliche Lage. Daran konnten auch Brände, wie z. B. der von 1719, dem eine ganze Reihe von Häusern zum Opfer fiel, nichts ändern; im Gegenteil: sie wurden stattlicher und prächtiger als zuvor aufgebaut.
Im „Landbuch über das gantze Herzogthum Württemberg„, 1736 bis 1744 von Rentkammerexpeditionsrat G. L. Andreae aufgezeichnet, wird Alpirsbach als „Amts- und Marcktfleck an und bey dem Closter liegend„ bezeichnet. Für diese Zeit werden aufgezählt: zwei Mahlmühlen, je eine Schleif-, Loh-, Walk- und Sägmühle, eine Ziegelhütte, „ein Bergwerck, Wolffgang und Eberhard genannt und eine Farbmühl, 1/4 Stund vom Flecken, allwo die blaue Farb gemacht wird„. Der Ort besteht aus 101 Häusern und wird von 122 Bürgern, 23 Witfrauen und drei Beisitzern bewohnt. Zum Vergleich: das ganze Klosteramt umfaßte damals 759 Häuser und zählte 841 Bürger.
Die endgültige Aufhebung des Klosteramts 1810 war für das „Städtle„ ein schwerer Schlag gewesen; die Nachteile sollten jedoch erst 30 bis 40 Jahre später besonders deutlich spürbar werden. Die Wegverlegung aller Behörden ließ natürlich nicht mehr so viele Leute der Umgebung in den Ort kommen, was sich auf Handel und Gewerbe rückläufig auswirkte.
Trotzdem ist die Einwohnerzahl bis 1843 ständig gestiegen und erreichte damals die stattliche Höhe von 1800, sank dann bis 1858 um ein volles Drittel ab, erholte sich seit der Stadterhebung allmählich, um jedoch erst wieder zu Beginn des 2. Weltkrieges die alte Höchstzahl einzuholen.
Die Tagungsstätte der Amtsversammlung, die ja nun auch nach Oberndorf verlegt wurde, konnte 1815 dem Staat abgekauft und in das Rathaus der Gemeinde umgewandelt werden. Dieser wichtige Akt steht damit am Anfang der neueren Geschichte Alpirsbachs.
Als König Wilhelm I. 1819 seinem Lande eine neue Verfassung auf demokratischer Grundlage gab, wurde auch der Weg zu einer neuen Gemeindeordnung frei. Die wahlfähigen Bürger durften von jetzt ab den Gemeinderat, den diesen beaufsichtigenden Bürgerausschuß und vor allem den auf Lebenszeit gewählten Schultheiß bestimmen. Der erste Alpirsbacher Schultheiß wurde 1819 Johann Georg Faßnacht, ursprünglich Seifensieder und Sohn eines aus Reutlingen stammenden, in Alpirsbach ansässig gewordenen Weißgerbers. Die Gemeinderatsprotokolle aus der Amtszeit Faßnachts (1819—1833) vermitteln einen Eindruck davon, mit welchem Eifer und Geschick er den Aufbau der nun selbständig gewordenen Gemeindeverwaltung in die Hand nahm. Wie in allen kleinen Gemeinden war er zugleich Ratschreiber, wozu ihm allerdings die notwendige Verwaltungsausbildung fehlte.
Das Jahr 1832 ist für Alpirsbach und Rötenbach gleicherweise von großer Bedeutung. Schon immer hatte der Staat bzw. seine Vorgänger (Abt, Herzog) die Verpflichtung, sämtlichen Aktivbürgern ein bestimmtes Quantum Brennholz unentgeltlich, und an die Besitzer von „bauholzberechtigten„ Häusern das zu Reparaturen erforderliche Bauholz um 2/3 des augenblicklichen Langholzpreises abzugeben.
1843 wurde die letzte dem Ort verbliebene Bezirksbehörde, das 1821 eingerichtete Kameralamt, aufgelöst und sein Besteuerungsgebiet unter die Kameralämter Dornstetten, Oberndorf und Sulz verteilt.
1845 richteten die bürgerlichen Kollegien eine „Vorstellung der Gemeinde Alpirsbach an das Königliche Ministerium des Inneren über den vieljährigen Nothstand der Gemeinde und die Mittel zur Abhülfe desselben.„ Darin heißt es wörtlich: „Der jetzige Zustand der einst blühenden Gemeinde ist ein über alle Beschreibung unglücklicher. Die Stadt (!) geht ihrem gänzlichen Ruin entgegen. Versuche, aus eigener Kraft wieder emporzukommen, und neue Industriezweige in die Stadt zu verpflanzen, waren vergeblich. Es mangelt an Straßen zur Herstellung eines bequemen Verkehrs mit der Nachbarschaft, es mangelt weiter an den erforderlichen Kapitalien. Fast die gesamte weibliche Jugend des Ortes, 400 an der Zahl, sucht vom 14. Jahre an wegen des eigenen Unterhaltes und der Unterstützung der armen Eltern in den Städten Frankreichs und der Schweiz Dienste.
Im Revolutionsjahr 1848 wird ein weiterer Tiefpunkt erreicht. Gesuchen an das Oberamt um Abgabe von Getreide und um Beschaffung von Notstandsarbeiten kann zunächst nicht entsprochen werden; da beschließt die Gemeinde selber am 9. März die Stockholzaufbereitung als Armenbeschäftigung. Auch die politische Erregung macht sich immer stärker bemerkbar. Am 21. März erwägen Gemeinderat und Bürgerausschuß, „ob nicht eine Bürgerwache zur Erhaltung der unter den jetzigen bewegten Zeitverhältnissen möglicherweise gefährdeten öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit einzuführen seyn möchte„. Diese Einführung wird am 5. April beschlossen, doch sogleich wieder „vor der Hand ausgesetzt„. Da während der Nacht mehrfach Ordnung, Ruhe und Sicherheit gestört werden, wird am 29. April schließlich eine verstärkte Nachtwache eingeführt. Doch mehren sich weiterhin Fälle, bei denen Personen wörtlich und tätlich beleidigt und Eigentum beschädigt werden. Am 22. Juni kann die Organisationskommission der Bürgerwehr auf Grund des staatlichen Volksbewaffnungsgesetzes vom 1. April gebildet werden; Vorstand wird Revierförster und Floßinspektor Kostenbader. Inzwischen hat sich jedoch unter dem Kommando des Landjägers und des Steueraufsehers ein illegales bewaffnetes Corps gebildet, das aber kurzerhand verboten wird. Die Spannungen in der Bevölkerung müssen damals immer unerträglicher geworden sein; wegen „bedauerlicher Vorfälle„ stellt Schultheiß Köstlin schließlich sein Amt zur Verfügung. An seine Stelle tritt für fast zwei Jahre Apotheker Schliz. Im August endlich treffen 100 Musketen mit Bajonetten ein, die an die einzelnen Wehrmänner unter Vorbehalt des Eigentums der Gemeinde abgegeben werden; drei von ihnen lassen sich in Dornhan „als Tambourschüler im Trommelschlag„ ausbilden.
Für die schulentlassenen jungen Mädchen wird 18
1 eine Industrieschule (Nähen, Flicken, Handarbeiten) eingerichtet. Ihr folgt 1853 noch eine Strohflechtanstalt. Vom Jahr 1851 an werden in der Gemeinde auch die alten Lasten, der Große und der Novalzehnt, sowie die Geld- und Fruchtgefälle abgelöst. Es fehlte jedoch nach wie vor eine ausreichende Ernährungsgrundlage für die umfangreiche Bevölkerung. Immer wieder werden in diesen Jahren Auswanderungsgesuche bewilligt; 1853 wandern sogar ein Dreizehn- und ein Vierzehnjähriger nach Wisconsin/USA aus!
1854 muß bei wieder beginnender Teuerung die Suppenanstalt neu eingerichtet werden; als Notstandsarbeit wird ein Holzabfuhrweg auf den Heilenberg angelegt. Verzweifelt bemühen sich Schultheiß und bürgerliche Kollegien auch um die dringend notwendige Industrieansiedlung. Im Dezember 1854 wird in öffentlichen Blättern des In- und Auslandes ein Aufruf erlassen, demjenigen Industriellen, der 50 Ortsarmen regelmäßig Arbeit verschaffen kann, ein unverzinsliches Darlehen von 2000 fl zu gewähren; man würde auf die Rückgabe desselben sogar verzichten, wenn die zu begründende Fabrik wenigstens einen fünfjährigen ungeschmälerten Fortbestand hätte. Doch die Bemühungen bleiben umsonst. Nur die Scholdersche Baumwollspinnerei, 1836 begründet, konnte sich halten, ja sogar vergrößern. Bis zum 11. Oktober 1855 ist die Verschuldung der Gemeinde auf 28 370 fl angestiegen. Da die Eingaben an die einzelnen Ministerien nichts fruchten, wendet sich die Gemeinde am 4. September 1856 direkt an den König, um wenigstens die Wiederherstellung der Postverbindung nach Freudenstadt und Schiltach zu erreichen; man stehe ja nicht bloß mit leeren Händen als Bettler da, sondern könne darauf hinweisen, daß jährlich allein mehrere 1000 fl Staatsgefälle aus der Kinzigflößerei erzielt werden, von den Abgaben aus dem Holzhandel (Ludwig Trick setzt damals jährlich allein 200 000 fI um!) und dem Gewerbe ganz zu schweigen
1859 bereits konnte die Staatsstraße nach Freudenstadt fertiggestellt, 1862 der Anschluß an die badische Staatsstraße von Schiltach zur Teufelsküche erreicht werden. Damit sind natürlich die günstigsten Voraussetzungen für den Postwagenverkehr geschaffen worden, der immer weiter ausgebaut wurde und seinerseits gute Ausgangsbedingungen für Handel und Gewerbe gewährleistete.
1859 ist in Alpirsbach die erste Straßenbeleuchtung für nur 150 fI eingerichtet worden. Man war damals sparsam und kaufte sechs der früheren Ulmer Straßenlaternen, die man dann mit Schieferöllampen versah und durch drei Alpirsbacher Schlosser installieren ließ. Am 17. Dezember, einem Samstag, waren der Marktplatz und fünf weitere Stellen zum 1. Mal beleuchtet.
1858 ist eine gewerbliche Fortbildungsschule (Abendunterricht im Winterhalbjahr) eröffnet worden.
Der Eindruck eines größeren Waldbrandes führte 1861 schließlich zur Einführung der freiwilligen Feuerwehr, der ersten im ganzen Oberamtsbezirk!
Am 26. Juli 1862 konnte die Telegrafenstation eröffnet werden, im Jahr darauf die Landpost mit zwei Postboten. „Unter unsäglichen Widerwärtigkeiten von Seiten einiger Metzger und eines Teils des weniger intelligenten Publikums„ wurde 1866 die Erbauung eines Schlachthauses durchgesetzt, das allerdings keine 20 Jahre später wegen des Bahnbaus abgebrochen und durch einen Neubau an anderer Stelle ersetzt werden mußte. In jenen Jahren ging es übrigens auch mit einem Jahrhunderte alten Gewerbe langsam zu Ende: mit der Köhlerei. Sie wurde von Privatleuten nur noch in ganz kleinem Umfang betrieben; dagegen sind 1868 noch etwa 300 Klafter Scheiter-, Prügel- und Stockholz verkohlt und an die Königliche Gewehrfabrik nach Oberndorf geliefert worden.
Die 1868 veröffentlichte „Beschreibung des Oberamts Oberndorf„ liefert für das damalige Alpirsbach unmittelbar vor der Stadterhebung einen anschaulichen Bericht: „Der schöne, städtisch aussehende Ort ist von Gärten und Obstbaumwiesen freundlich umgeben; durch seinen südlichen Teil rauscht die in zwei Arme geteilte, klare, lebendige Kinzig, durch den westlichen das Alpirsbächle. Die meist stattlichen, oft mit steinernen Unterstöcken und hübsch geschnitztem Balkenwerk versehenen Häuser stehen gedrängt und regelmäßig an den gut gehaltenen reinlichen Straßen; die Hauptstraßen sind gepflastert, die Nebenstraßen chaussiert. Sehr gutes Trinkwasser liefern stets in Fülle 20 laufende Brunnen, die meist in hölzernen Teucheln hergeleitet werden; auch die Markung ist sehr reich an vortrefflichen Quellen, unter denen die Burghaldenquelle im sogenannten Botenloch und die Reutinerbergquelle die bedeutendsten sind. Mehrere periodisch fließende Quellen, sogenannte Seltenbrunnen, kommen vor. Über die Kinzig führen zwei steinerne und zwei hölzerne Brücken und zwei Stege, über das Alpirsbächle zwei steinerne Brücken; im Ganzen sind sechs Stege auf der Markung. Die Unterhaltung hat die Gemeinde. Die Einwohner zeichnen sich weder durch körperliche Vorzüge noch Gebrechen aus; über 80 Jahre zählen gegenwärtig nur einige Ortsangehörige; es herrscht unter ihnen im allgemeinen Fleiß, Betriebsamkeit, Sparsamkeit und kirchlicher Sinn; übrigens liegt in ihrem Wesen etwas Keckes, leicht Erregbares. Die Haupterwerbsquellen bestehen in Gewerben, unter denen die Schuhmacher, Schneider, Bäcker, Metzger und Weber am stärksten vertreten sind und viel nach außen arbeiten; Rotgerbereien sind sechs, zum Teil sehr bedeutende, vorhanden; sie setzen ihre Waren größtenteils auf Messen und Märkten ab. Die Linnenspinnerei für den eigenen Bedarf ist allgemein. Ein nicht unbedeutender Verdienst erwächst den ärmeren Kindern aus dem Strohflechten, das für die Strohmanufactur P. Haas u. Co. in Schramberg betrieben wird. Ferner besteht hier eine mechanische Wollspinnerei, eine Ziegelei und zwei Mühlen nach neuester Einrichtung, die Pfistermühle und die Bruckmühle, jede mit zwei Mahl- und 1 Gerbgang; die Pfistermühle enthält auch noch eine Malzschrotmühle. Schließlich sind hier noch vier Lohmühlen, von denen eine mit Dampf und drei mit Wasser getrieben werden, und zwei Sägmühlen zu nennen. Steinbrüche im Buntsandstein und Granit, für Bau- und Mühlsteine, sind genügend vorhanden und decken das örtliche Bedürfnis. Acht Schildwirtschaften, worunter sechs Bierbrauereien, und zehn Kauf- oder Kramläden bestehen. Die Vermögensverhältnisse der Einwohner sind befriedigend; der begütertste Bürger hat 50 Morgen Grundbesitz, worunter 24 Morgen Wald, der Mittelmann fünf bis zehn Morgen, die ärmere Klasse oft bloß 1/4 bis 1/2 Morgen. Einige Ortsbürger besitzen auch Güterstücke auf den Markungen von Reutin und der 24 Höfe; 20 meist arbeitsunfähige Personen oder Kinder armer Eltern erhalten gegenwärtig Gemeindeunterstützung. Der in 800 Klaftern Scheiterholz, 10 000 Stück Wellen und 60 Klafter Stockholz bestehende jährliche Waldertrag wird verkauft und jedem zu 2 1/2 Klafter Scheiterholz berechtigten Ortsbürger 30 fI gereicht; der Rest mit 2000 bis 2500 fI fließt in die Gemeindekasse. Überdies sind etwa 80 Morgen Allmanden vorhanden, die an Bürger teils verliehen, teils verpachtet sind und der Gemeindekasse etwa 100 fl jährlich eintragen; auch besitzt die Gemeinde Wiesen und Baufelder, deren Pachtgeld mit etwa 600 fI ebenfalls in die Gemeindekasse fließt. Der Ort hat das Recht, in den Monaten März, Juni und Oktober je einen Krämer-, Vieh- und Roßmarkt, im Dezember einen Krämer- und Kornmarkt abzuhalten.
„Seine Königliche Majestät haben vermöge Höchster Entschließung vom 6. Mai 1869 dem Pfarrdorfe Alpirsbach das Prädicat einer Stadtgemeinde zu verleihen geruht.„ Als dieser kurze Erlaß von König Karl von Württemberg wenige Tage später auf‘ dem Dienstweg über die Regierung des Schwarzwaldkreises in Reutlingen und das Oberamt in Oberndorf nach Alpirsbach gelangte, haben die Mitglieder des Gemeinderats und des Bürgerausschusses sofort eine Dankadresse nach Stuttgart geschickt. Besondere Feierlichkeiten haben damals nicht stattgefunden.
Der deutsch-französische Krieg 1870/71 brachte am Anfang und am Ende Einquartierungen für je eine Nacht. Von den wenigen Soldaten, die damals aus Alpirsbach auszogen, sind alle wieder zurückgekehrt. Später ist wiederholt von Sedan-Feiern mit Kinderfesten, 1876 von der Fahnenweihe des Militärvereins die Rede. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die während der letzten zehn Jahre vor dem Krieg zurückgegangen waren, machen sich jedoch bald wieder bemerkbar. Schon 1871 sieht sich die Gemeinde gezwungen, die 1864 auf 270 festgelegte Höchstzahl der Bürgergaben um 20 zu kürzen, bis der Geldgrundstock 10000 fl erreicht.
Gedenkmünze zur Erinnerung an die Eröffnung der der Kinzigtalbahn am 3. November 1886Das einschneidendste Ereignis wurde natürlich der Bahnbau. Schon 1873 ist davon die Rede, als man der Königlichen Eisenbahnverwaltung einen Teil der Bendewiesen zum Verkauf anbietet. 1877 kommen die ersten Ingenieure zu Vorarbeiten (Vermessungen usw.) nach Alpirsbach; 1881 endlich wird das Bahnbauamt errichtet. Die eigentlichen Bauarbeiten haben jedoch erst 1883 begonnen. Noch lange streitet man sich um die Trassenführung. Sicher ist man heute froh, daß der Bahnhof nicht in den „Herrengärten„ (jetzt Kurgarten) errichtet worden ist, aber die damalige Kompromisslösung wirkt sich bis zum heutigen Tage nachteilig aus, da sie den Ort in zwei Teile zerschneidet und sich als immer mehr den Verkehr behindernd erweist.
Statt der Industrie kamen 1887 zunächst die ersten Kurgäste; diesem Umstand wird dadurch Rechnung getragen, daß 1888 im Klosterhof eine kleine Anlage errichtet wird. Im gleichen Jahr gibt der 1881 gegründete „Verschönerungsverein Alpirsbach„, der offensichtlich auf eine 1874 ins Leben gerufene „Alpirsbacher Badgesellschaft„ zurückgeht, den ersten gedruckten Fremdenführer heraus
Am 1. Mai 1897 kann das Städtische Krankenhaus mit zwölf Betten, am 16. Juni eine Telefonanstalt eröffnet werden. Nachdem schon 1887 das letzte Floß von Ehlenbogen aus den Ort passiert hatte, wurde 1900 die endgültige Aufhebung der Flößerei auf der oberen Kinzig beschlossen. Erst am Heiligen Abend 1902 können die Stadt mit der Straßenbeleuchtung und einige Privathäuser mit Innenbeleuchtung nachziehen. 1904 kann das beim Bahnhof erstellte Postamt, 1907 das neue Schulhaus in den Herrengärten bezogen werden.
Schon 1914 muß im Zeichensaal des neuen Schulhauses ein Lazarett eingerichtet werden. Die Familien der im Feld stehenden Soldat
n müssen teilweise von der Stadt unterstützt werden; auch beteiligt sich diese an den Kriegsanleihen. Zu der Rationierung der Lebensmittel kommt Notgeld, das der Kommunalverband des Oberamts herausgibt.
Am 2. Januar 1919 werden Schultheiss Wilhelm Schwarz Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte an die Seite gesetzt. Bald darauf wird mit Notstandsarbeiten begonnen. Nach dem neuen Gemeindewahlrecht wird am 11. Mai 1919 die Neuwahl von zwölf Gemeinderäten vorgenommen; auf diese Weise wird wie im ganzen Freistaat Württemberg nach genau hundert Jahren die Einrichtung des Bürgerausschusses abgeschafft.
Zwischen Kloster und Unterem Tor auf der rechten Seite; der Kornspeicher wurde während des Bahnbaus, das hintere Tor 1920 abgebrochenSchon im Januar 1920 werden Notwohnungen in der Falzziegelei eingerichtet, die inzwischen ganz stillgelegt worden ist. Wenig später werden die beiden Hauptflügelbauten abgebrochen, während der Mittelbau stehen bleibt. Wichtige bauliche Veränderungen bringen die Neuanlagen der Reichsstraße vom „Grünen Baum„ bis zur Marktstraße sowie der Bendestraße mit sich. Der letzte Zeuge der alten Klosterummauerung, das „Untere Tor„ beim Krankenhaus, fällt in die Baulinie der „Neuen Straße„ und muß 1920 abgebrochen werden.
In den Wintern 1921/22 und 1922/23 wird auch eine Kinderspeisung vorgenommen; schließlich wird im Winter 1923/24 für alte Leute eine Wärmestube im Wachlokal unter dem Rathaus eingerichtet. Handel und Gewerbe, die in dieser Zeit ebenfalls schwer zu ringen haben, wagen im August 1922 eine Gewerbeausstellung im neuen Schulhaus. In der Presse war damals zu lesen: „Niemand hatte ernstlich erwartet, in dem kleinen Klosterstädtchen Alpirsbach eine solche Ausstellung zu sehen, ein solch prächtiges Bild gediegener, hochwertiger Arbeitsleistungen von Handwerk und Industrie, von Kunstgewerbe und Handel.„ Im selben Jahr kommt es auf Veranlassung von Stadtschultheiß Schwarz zur Gründung eines Fremdenverkehrsvereins.
Der aus Alpirsbach stammende Architekt Friedrich Widmann in St. Louis/USA wendet seiner Heimatstadt in diesen Notjahren namhafte Geldbeträge zu und wird deshalb 1922 zum Ehrenbürger ernannt; schließlich wird noch die Bendestraße nach seinem Namen umbenannt.
Während und nach der Inflation steigt die Zahl der Erwerbslosen stetig an: waren es im November 1923 nur 15, so sind es im Januar 1924 schon über 50; wieder zwei Jahre später sind es 97. Da entschließt man sich zu erneuten Notstandsarbeiten: Anlegen eines Sportplatzes auf den Krähenwiesen, Verlegung der Reichsstraße nach Rötenbach, Neuanlage der Schießhausstraße und Bau von Waldwegen. Doch die Arbeitslosigkeit nimmt mit der näherrückenden Weltwirtschaftskrise weiter zu. Viele kleine Betriebe müssen den Bankrott erklären. Der Bürgernutzen bleibt jahrelang ausgesetzt.
An Notstandsarbeiten wird 1929 und 1930 wiederum die Chaussierung von Waldwegen ausgeführt. Die Zahl der Erwerbslosen und Ausgesteuerten steigt auch jetzt noch ständig an. Die Stadt muß die Gehälter ihrer Beamten und Angestellten drastisch kürzen.
Die „Machtergreifung„ durch die Nationalsozialisten führt am 1. April 1933 zur Auflösung des Gemeinderats. Der seit 1926 angestellte Stadtpfleger Otto Rommel wird Bürgermeisteramtsverweser für den „vorläufig beurlaubten„ Bürgermeister Reichert. Eine der ersten Amtshandlungen ist die Umbenennung von Straßen und Plätzen im Benehmen mit der 1931 gegründeten Ortsgruppe der NSDAP: Alpirsbach bekommt eine Hindenburg- und eine Adolf-Hitler-Straße sowie einen Wilhelm-Murr-Platz; man sieht in diesem Akt damals eine „Ehrung der Männer, die sich um die nationale Erneuerung Deutschlands besonders verdient gemacht haben„. Der am 25. April nach dem Ergebnis der letzten Reichstagswahlen neugebildete Gemeinderat (nur noch acht Mitglieder) verleiht am 4. Mai dem württembergischen Staatspräsidenten Wilhelm Murr das Ehrenbürgerrecht.
Nachdem am 9. Juli schon drei Gemeinderäte zurückgetreten waren, bringt die neue Deutsche Gemeindeordnung von 1935 die völlige Entdemokratisierung auch der Alpirsbacher Kommune: jetzt beruft der Beauftragte der NSDAP (Kreisleiter) im Benehmen mit dem Bürgermeister die Gemeinderäte (nur noch sechs). In den Gemeinderatsprotokollen heißt es von jetzt ab stereotyp: „Nach Anhören der Ratsherren verfügt der Bürgermeister…
Ab 1935 macht sich die allgemeine wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung auch in Alpirsbach bemerkbar.
1937 wird die Schillerstraße angelegt. Dann kann in der Franz Hettich KG eine leistungsfähige Firma für die leerstehenden Räume der Hamburg-Amerikanischen Uhrenfabrik gewonnen werden. Schon 1937 werden Pläne für den Neubau einer Turn- und Festhalle sowie eines Schulhauses auf den Farrenwiesen ausgearbeitet, 1938 ebenfalls solche für die Kanalisation und die Sammelkläranlage.
Der bedeutsamste Schritt in der neueren Geschichte Alpirsbachs wurde die Eingemeindung des Nachbarorts Rötenbach am 3. Mai 1938 auf Grund eines Regierungserlasses vom 25. März desselben Jahres. Nachdem schon Jahrhunderte hindurch wichtige Beziehungen zwischen den beiden Gemeinden bestanden hatten, waren sie seit der Jahrhundertwende noch intensiver geworden. Beide Orte hatten seit 1934 auch eine gemeinsame Bürgermeisterei. Leider ist dieser heute fast selbstverständliche Akt damals nicht auf demokratische Weise zustande gekommen. Schon 1936 waren übrigens beide Gemeinden nach der Auflösung des Oberamts Oberndorf dem Kreis Freudenstadt zugeteilt worden.
Infolge Kurzschlusses bricht am 30. März 1940 im Dachgeschoß des Rathauses ein Brand aus, dabei gehen wertvolle Akten und Dokumente aus früheren Zeiten zugrunde. Beim Wiederaufbau wird das alte, schöne Gebäude harmonisch um ein weiteres Stockwerk erhöht und erhält dabei sein uns allen vertrautes äußeres Kleid. Selbst in den Kriegsjahren gelingt es, weitere Industrie anzusiedeln (Württ. Elektromotoren GmbH, Radiofabrik Karl Hopt). Die Wohnungsknappheit macht sich jedoch immer stärker bemerkbar. Für Riedwiesen und Burghalde wird ein Sofortprogramm aufgestellt, das für das letztere Gebiet noch ausgefuhrt werden kann.
Noch 1944 kann das Städtische Krankenhaus um einen Anbau erweitert werden. Bis 1943 bleibt der Fremdenverkehr in vollem Gange. Das Soziaierholungswerk der Deutschen Arbeitsfront belegt allerdings drei Gaststätten und Pensionen jeweils für 14 Tage mit Rüstungsarbeitern aus luftgefährdeten Gebieten. Im „ Rößle„ wird sogar ein Kinderlandverschickungslager für etwa 40 Kinder eingerichtet; auch sonst nimmt die Zahl der nach Alpirsbach Evakuierten ständig zu
Im letzten Kriegsjahr werden noch sechs Behelfswohnheime auf der Burghalde errichtet sowie einige Luftschutzräume in Form von in den Granit getriebenen Stollen angelegt. Den ganzen Krieg über hat Bürgermeister Rommel mit seinen „Alpirsbacher Heimatnachrichten„ Kontakt mit den Soldaten an der Front zu halten versucht, was jeweils an Weihnachten durch die Versendung von Päckchen der Stadtverwaltung unterstrichen wurde. Am Anfang des Krieges wurden französische, gegen Ende russische Gefangene als Arbeitskräfte im Alpirsbacher Wald und in der Industrie eingesetzt; dazu kamen 1942 über 200 zwangsverpflichtete Franzosen (Männer und Frauen). Fast den ganzen Krieg über hatten verschiedene Wehrmachtseinrichtungen hier Quartier bezogen. Doch erst in den letzten Kriegswochen sollte der Ort selber die eigentlichen Schrecken des Krieges erfahren.
Bei einem Luftangriff am 2. April 1945 fiel das Haus Katzensteiner ganz zum Opfer, einige andere Gebäude (Hotel Löwen Post, die Anstalt, Haus Wiggert, Haus Rüdiger) wurden erheblich beschädigt. Dabei sind folgende Personen getötet worden: Egon Schutter, Leonore Forch, Berta Neher und Irmgard katzensteiner.
In den letzten Kriegstagen wurde leider auch noch der Eisenbahnviadukt bei der Farbmühle gesprengt.
Am 20. April 1945 konnte eine Abteilung der 1. Französischen Armee, von Ehlenbogen herkommend, den Ort kampflos einnehmen. Diesen glimpflichen Ausgang verdanken wir wohl hauptsächlich der im Herbst 1944 erfolgten Einrichtung eines Reservelazaretts im neuen Schulhaus.
Die Wohnungsnot, die sich seit Kriegsausbruch immer stärker bemerkbar gemacht hatte, steigerte sich durch die ab Februar 1946 eintreffenden planmäßig zugeteilten Flüchtlinge.
Im August 1946 nahm ein französischer Baustab mit fünf Offizieren und 50 Zivilarbeitern hier Wohnung; als er zwei Jahre später Alpirsbach verließ, waren 6800 Fm Stammholz geschlagen. Trotzdem konnte die Gemeinde mit Holz offiziell immer wieder verschiedene Kompensationsgeschäfte vornehmen.
Hochwasser in der Aischbachstrasse am 28. od. 29. Dezember 1947Am 28. und 29. Dezember 1947 wurde Alpirsbach von einer Hochwasseratastrophe heimgesucht, wie man sie seit Menschengedenken nicht mehr erlebt hatte. Ein Witterungsumschlag, verbunden mit starken Regenfällen, ließ den zuvor gefallenen Schnee schmelzen und führte zu derartigen Überschwemmungen, daß innerhalb kürzester Zeit entlang der Kinzig ganze Straßenzüge unter Wasser standen. 60 Wohnungen mußten geräumt werden; 180 Gebäude wurden beschädigt, 220 Keller überschwemmt. Eine Brücke am Grezenbühl und zwei Brücken in Rötenbach wurden vollständig zerstört. Alles in allem belief sich der Gesamtschaden innerhalb des Markungsbezirks auf 177 000,- RM.
Was man in Jahrzehnten nie erwartet hätte, war in wenigen Jahren erreicht: dank der umfangreichen lndustrieansiedlung und des Ausbaus der schon ansässigen Betriebe übertraf die Zahl der Einpendler die der Auspendler schon 1955 um das Doppelte. Zehn Jahre nach der Währungsreform standen 1892 Arbeitsplätze zur Verfügung; nur noch 117 Alpirsbacher mußten auswärts zur Arbeit gehen, denen 587 Einpendler gegenüberstanden. Auch der stark einsetzende Fremdenverkehr wurde ein immer wichtigerer Wirtschaftsfaktor.
Längst reicht der Talgrund nicht mehr aus, um die Arbeits- und Wohnstätten aufzunehmen. Bis hin zum Waldrand in halber Höhe der Berge reichen schon die Gebäude. Doch gebietet die Natur einer drohenden Zersiedlung der Landschaft von selber Einhalt. Viele Faktoren haben die Nachkriegszeit bestimmt. Es war eben nicht nur das allgemeine Wirtschaftswunder, das auch in Alpirsbach seine Blüten zeigte, sondern auch der zähe Aufbauwille der Bürgerschaft, die engagierte Mitverantwortung der Gemeinderäte, die weitsichtige Entschlußkraft wie die harte und oft mühsame Kleinarbeit der Stadtverwaltung.
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